Noch mehr Kriminalstatistik

Zum Anfang eine Frage an alle (Hobby-) Sicherheitspolitiker: Was beeinflusst die Zahl
der kriminellen Jugendlichen am meisten? Das Fernsehen? Der Computer? Armut? Nein, die Zahl der Jugendlichen. Hört sich trivial an, wird aber oft vergessen.

Zahl der tatverdächtigen 14 bis unter 18-Jährigen in Tausend (blau), Zahl der Jugendlichen in Tausend (grau, rechte Skala) und tatverdächtige Jugendliche je 1.000 Jugendliche (Balken).

Seit 1998 ist die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen von rund 302.000 auf etwa 249.000 gesunken und damit auf den niedrigsten Stand seit 1994. Allein seit 2005 sank die Zahl der Tatverdächtigen von 14 bis 17 um rund 35.000.

Allerdings zeigt die Grafik links auch warum. Es gibt so wenig Jugendliche wie noch nie seit 1993. Obwohl es beispielsweise 1996 mit rund 277.000 deutlich mehr Tatverdächtige von 14 bis unter 18 gab, lag deren Zahl je 1.000 Jugendliche damals mit 76 deutlich geringer als 2009 mit 77.

Allerdings haben wir den größten Berg schon hinter uns. 1998 waren es noch 83 Tatverdächtige je 1.000 Jugendliche. 2005 wurde dann mit 75 ein Zwischentief erreicht, 2008 mit 78 wieder ein Zwischenhoch.

Nun kann die seit 1998 gesunkene Zahl der Tatverdächtigen viele Gründe haben. Möglicherweise wird heute einfach weniger angezeigt oder von der Polizei werden Vergehen zurückhaltender erfasst. Wobei mir die völlig unwissenschaftliche Einschätzung erlaubt sei, dass ich die erstere Möglichkeit in unserer immer älter und damit ängstlicher werdenden Gesellschaft für ziemlich unrealistisch halte. Interessant ist dabei auch, dass sich dieser Gipfel bei den Heranwachsenden, also den 18 bis 20-Jährigen, etwas verschoben hat, nämlich um fünf bis sechs Jahre.

Zahl der tatverdächtigen 18 bis unter 21-Jährigen in Tausend (blau), Zahl der Heranwachsenden in Tausend (grau, rechte Skala) und tatverdächtige Heranwachsende je 1.000 Heranwachsende (Balken).

2003 lag die Zahl der tatverdächtigen Heranwachsenden bei über 88, im Jahr 2004 dann etwas unter 89. Anders als bei den Jugendlichen ist die Zahl der tatverdächtigen Heranwachsenden auch absolut seit 1993 vergleichsweise konstant geblieben. Das dürfte sich aber bald ändern, wenn der aktuell bei den Jugendlichen zu beobachtende Bevölkerungsrückgang die Heranwachsenden erreicht. Das dürfte 2011 bis 2013 der Fall sein, denn im dargestellten Jahr 2009 gab es 15 Prozent mehr 19-Jährige und elf Prozent mehr 20-Jährige als 1993, dagegen neun Prozent weniger 14-Jährige und sieben Prozent weniger 15-Jährige.

Im Vergleich zu den Jugendlichen fällt auf, dass die Zahl der Tatverdächtigen je 1.000 Einwohner dieser Altersgruppe bei den Heranwachsenden in etwa auf dem Niveau von 1993 liegt (mit 81 sogar eins niedriger), bei den Jugendlichen aber mit 77 deutlich über den 61 von damals.

Nun wäre es zu erwarten, dass sich der Tatverdächtigen-Gipfel bei den Jungerwachsenen, also den 21- bis 24-Jährigen ein weiteres Mal verschoben hat. Das ist allerdings nur sehr eingeschränkt der Fall. Hier ist die Zahl der Tatverdächtigen je 1.000 ebenfalls im Jahr 2004 am höchsten, gefolgt allerdings vom Jahr 2005.

Zahl der tatverdächtigen 21 bis unter 25-Jährigen in Tausend (blau), Zahl der Jungerwachsenen in Tausend (grau, rechte Skala) und tatverdächtige Heranwachsende je 1.000 Jungerwachsene (Balken).

Die Statistik der Tatverdächtigen ist wie gesagt mit Vorsicht zu genießen. Sie ist nur ein Indiz für die tatsächliche Entwicklung der Kriminalität, weil sie einerseits die nicht angezeigten Fälle nicht erfasst und andererseits nicht alle Tatverdächtigen auch Täter sind (was gerne mal vergessen wird). Trotzdem traue ich mich auf Basis dieser Daten zu sagen, dass die These von den immer krimineller werdenden Jugendlichen, Heranwachsenden und Jungerwachsenen schlicht Blödsinn ist.

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