Weltkriegsverlierer besonders Kriegs-kritisch

Jüngst machten Zahlen die Runde, nach denen die meisten Deutschen im Fall eines Angriffs eines fremden Staates nicht bereit wären, ihr Land zu verteidigen. Die meisten würden versuchen, trotz allem ihr altes Leben weiterzuleben oder das Land zu verlassen. Deutschland sei nicht nur wehrunfähig, sondern auch wehrunwillig, urteilt die NZZ aus der Schweiz.

Die Zahlen sind nicht überraschend, sie decken sich mit einer älteren Umfrage aus dem Jahr 2015. Damals hatten die Markt- und Meinungsforscher von Gallup die Menschen weltweit gefragt, ob sie bereit wären, für ihr Land zu kämpfen. Nur 18 Prozent der Deutschen wollten das, von den befragten Ländern war das der niedrigste Wert, abgesehen von Japan und den Niederlanden.

Anteil der Menschen, die bereit wären, für Land in einer kriegerischen Auseinandersetzung zu kämpfen. Dargestellt sind die drei Ländern mit der höchsten und die drei mit der niedrigsten Bereitschaft sowie ausgewählte Staaten. Quelle: Gallup

Offenbar hat der verlorene Weltkrieg die Menschen in Deutschland und Japan besonders geprägt. Auch in Italien und Österreich, die ebenfalls auf der Verliererseite kämpften, ist die Bereitschaft in einen Krieg zu ziehen gering. Ob die Tatsache, dass der Krieg verloren wurde oder die, dass man für die falsche Sache kämpfte, für die niedrigen Werte verantwortlich ist, geht aus der Umfrage natürlich nicht hervor.

Auffällig sind die niedrigen Werte in Belgien und den Niederlanden. Auch dort wollen nur wenige Menschen für ihr Land kämpfen, in den Niederlanden sogar noch weniger als in Deutschland.

Sonderfall Finnland

Ein Sonderfall ist Finnland. 74 Prozent haben dort die Frage nach ihrer Wehrbereitschaft bejaht. Das ist ungewöhnlich, ähnlich hohe Werte erreichen sonst nur Staaten in Asien. Möglicherweise eine Folge der Geschichte Finnlands, das sich 1940 einem Überfall der deutlich größeren Sowjetunion ausgesetzt sah, ähnlich heute der Ukraine. Allerdings dauerte der Krieg nur rund vier Monate, was bei Vergleichen zwischen dem finnischen Erfolg von damals und dem Ukrainekrieg heute oft übersehen wird. Möglicherweise ist das Ergebnis in dieser Form aber auch eine Folge der bei solchen Untersuchungen unvermeidbaren Unschärfen. Der Wert ist jedenfalls auffällig hoch. Im Schnitt wären in Westeuropa nur 25 Prozent bereit, für ihr Land zu kämpfen, verglichen mit 83 Prozent in Nordafrika und dem Nahen Osten. Allerdings ist die Bereitschaft auch im benachbarten Schweden mit 55 Prozent außergewöhnlich hoch.

Wenig überraschend ist die Erkenntnis, dass die modernen Industriestaaten deutlich pazifistischer sind als Entwicklungs- und Schwellenländer mit starkem Fokus auf dem primären Sektor (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Bergbau). Neben den skandinavischen Staaten ist Israel hier ein weiterer Ausreißer mit 66 Prozent Wehrbereitschaft. Wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, wie stark das Überleben des Staates von seiner Armee abhängt. Die Verteidigungsbereitschaft ist sogar höher als in den palästinensischen Autonomiegebieten mit 56 Prozent.

Schlechte Regierungsführung spielt eine geringe Rolle

Liegt die niedrigere Wehrbereitschaft der Palästinenser daran, dass es – egal, was Anti-Israel-Initiativen so sagen – unwahrscheinlich ist, dass Israel so brutal gegen die Bevölkerung dort vorgeht, wie es umgekehrt wohl bei einem Sieg über Israel der Fall wäre oder daran, dass die schlechte Regierungsführung die Menschen dort entmutigt, für ihr Land zu kämpfen? Wir wissen es nicht, allerdings scheint die Qualität der Regierung nicht das vorherrschende Kriterium zu sein. Sonst würden nicht so viele Menschen in Nordafrika und dem Nahen Osten für ihr Land kämpfen wollen.

Erstaunlicherweise sind auch sehr uneinige Länder wie Kenia mit 69 Prozent erstaunlich weit vorn. Kenia leidet nach wie vor unter seiner Uneinigkeit, das Land ist wie viele andere in Afrika ein Produkt des Kolonialismus. Dennoch würden viele Menschen dort für ihr Land kämpfen. Auch in Nigeria wären es noch 50 Prozent, trotz der inneren Zerrissenheit.

Offenbar ist der wichtigste Faktor der, welche Werte in einem Land vorherrschen. Sind sie eher traditionell, wozu auch die Bereitschaft gehört, sich für Familie und Vaterland in einem Krieg zu opfern oder eher postheroisch?

Insgesamt würden Männer eher kämpfen als Frauen. Von den Männern würden das weltweit etwa zwei von drei tun, bei den Frauen nur jede zweite. Das ist wenig verwunderlich, gerade in jenen traditionellen Gesellschaften, die hohe Werte für die Wehrbereitschaft erreichen, gehört die Verteidigung vor allem zur Aufgabe der Männer. Spannend wäre es, zu wissen, ob die Differenz in Deutschland kleiner wäre. Ganz verschwinden würde sie vermutlich nicht, nicht zuletzt, weil Frauen auch in westlichen Staaten „Männern mit großen Orden“ mögen, wie eine Studie herausgefunden hat. Ob der Effekt aber hierzulande groß genug wäre, um dafür das Risiko eines Todes einzugehen, ist zu bezweifeln.

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