Wie links ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk?

Gut ein Jahr ist es jetzt her, dass ich meinen bisher letzten Beitrag in diesem Blog geschrieben habe. Meine Lehraufträge an der Hochschule und meine Arbeit haben mich ziemlich in Beschlag genommen und tun das auch weiterhin, weshalb ich in naher Zukunft nicht zu meinem alten Rhythmus zurückkehren werden (schon gar nicht zu dem aus der Anfangszeit des Blogs, als ich zwei Beiträge pro Woche schrieb). Aber ein bisschen öfter als einmal im Jahr möchte ich schon etwas veröffentlichen. Es ist wieder mal ein Medien-Thema, vielleicht nicht ganz verwunderlich, da ich selbst in der Branche arbeite.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht schon lange in der Kritik. Aktuell sorgt die wahrscheinliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags für Kritik. Zumal das staatliche System im Internet mittlerweile in Konkurrenz auch zu privaten Zeitungsverlagen tritt und deren Existenz bedroht.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Kritik

Die Universität Mainz hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter die Lupe genommen. Thema war die Perspektivenvielfalt. Dazu zählen verschiedene Aspekte, beispielsweise die Akteursvielfalt. Weil besonders die ideologische Ausrichtung der Sender aktuell diskutiert wird, werde ich mich darauf konzentrieren. Denn seit mehreren Jahren stehen die öffentlichen Sender in der Kritik, vor allem grüne Positionen zu vertreten.

Bild von Zeitungen zur Illustration des Themas Paid Content
Die Älteren werden sich noch dran erinnern: gedruckte Zeitungen.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen, es lautet: Tatsächlich werden eher staatsorientierte statt marktorientierte Positionen und eher linke als konservative oder rechte Positionen vertreten. Doch gerade im letzten Punkt sind die öffentlichen Medien gemäßigter als der Mittelwert der Vergleichsmedien. Aber der Reihe nach.

Die Analyse der Universität Mainz

Die Universität Mainz hat Medienbeiträge analysiert und hat dazu zwei Themenbereiche unterschieden, nämlich einmal wirtschaftspolitische und zweitens gesellschaftspolitische Fragestellungen.

Die Diskussion um eine Erhöhung des Bürgergeldes würde in die erste Kategorie fallen, einer über das Gendern in die zweite. Auf der ersten Achse unterscheiden die Mainzer Sozialstaatsorientierung und Marktliberalität, auf der anderen eine liberal-progressiv sowie eine konservativ-autoritäre Ausrichtung. Doch diese Bezeichnungen scheinen mir zu wertend, man könnte böse von versuchten Framing sprachen. Daher spreche ich von Staats- und Marktorientierung im einen Fall sowie von linken und konservativen Positionen im anderen Fall.

Die Mainzer haben eine fünfstufige Skala verwendet, wobei 1 für sehr linke Positionen steht. Drei steht logischerweise für die Mitte und fünf für marktwirtschaftliche (Wirtschaft) beziehungsweise konservative bis rechte (Gesellschaft) Positionen. Der Übersichtlichkeit halber habe ich die 3 in meinen Darstellungen auf null gesetzt, sodass sich Werte zwischen -2 und +2 ergeben. Negative Zahlen stehen damit für linke Positionen, positive dagegen für konservative und rechte beziehungsweise wirtschaftsliberale.

Zeitung von 1998

Die Vergleichsmedien

Als Vergleichsmedien wurden von den Mainzern besonders reichweitenstarke Medien ausgewählt. Dazu zählen sowohl klassische Zeitungen als auch Fernsehsender und reine Online-Angebote, etwa welt.de, bild.de und RTL. Aber auch Lokalangebote haben es in die Analyse geschafft, etwa der General Anzeiger aus Bonn oder die Stuttgarter Zeitung. Schließlich wurden noch einige eher extreme Angebote aufgenommen, wie die rechte Zeitung Junge Freiheit oder das ehemalige SED-Organ Neues Deutschland (nd.DerTag).

Auch bei den privaten Medien ballt es sich im linken Bereich. Die meisten untersuchen Produkte liegen in einem Quadrat, das von den beiden Nulllinien und in beiden Richtungen -1 begrenzt wird. Sowohl auf der Staat-Markt-Achse als auch auf der gesellschaftspolitischen Achse liegen die Privatmedien mit -0,4 im linken Bereich. Wobei die Streuung hier weit größer ist als bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Mehr zu den Privatmedien wird es in einem weiteren Beitrag geben.

Die Ergebnisse für die Öffentlichen Sender

In Wirtschaftsfragen vertreten alle untersuchte neun öffentlich-rechtlichen Angebote linke Positionen. Besonders links ist in Wirtschaftsfragen – wenig überraschend – der WDR. Überraschend dagegen, dass der ebenfalls in Köln beheimatete und ebenfalls als links geltende Deutschlandfunk in Wirtschaftsfragen fast genau in der Mitte liegt.

Readly Test
Zeitschriftentitel bei der Lese-Flatrate readly. Bild: Pressefoto readly

In Wirtschaftsfragen stehen fünf der öffentlich-rechtlichen Angebote tatsächlich links der Vergleichsmedien, WDR und rbb24 sogar deutlich. Nur ein Sender, nämlich der Deutschlandfunk, ist dagegen deutlich wirtschaftsliberaler als die privaten Anbieter.

Die Unzufriedenheit mit den öffentlichen Sendern dürfte aber vor allem von deren Position in gesellschaftlichen Fragen kommen. Dass in wirtschaftlichen Fragen linke Positionen oft sogar sehr beliebt sind, zeigt der Erfolg des Bündnisses Sahra Wagenknecht, vor allem in Ostdeutschland.

Hier aber zeigt sich ein ganz anderes Bild. Neben dem Deutschlandfunk stehen nur die zwei ostdeutschen Sender rbb24 und MDR links vom Durchschnitt der Vergleichsmedien. ZDFheute.de, die Tagesschau und sogar WDR aktuell sind konservativer als die betrachteten Privatmedien, wenngleich immer noch eher links.

AngebotWirtschaftGesellschaft
tagesschau-0,3-0,2
tagesschau.de-0,6-0,1
heute-0,3+0,2
heute.de-0,5-0,3
BR-0,4+0,2
WDR-1,0-0,3
Deutschlandfunk-0,1-0,6
MDR-0,3-0,6
rbb24-0,8-0,7
Vergleichsmedien (ø)-0,4-0,4

Aber mit tagesschau.de liegt auch ein Angebot fast in der Mitte, BR24 und heute sind in diesen Fragen sogar leicht im konservativen Bereich. Beide Medien galten bis in die 1990er Jahren als konservativ. Mittlerweile sind beide zur Mitte gewandert und wirtschaftlich eher links, aber gesellschaftspolitisch nach Meinung der Mainzer Forscher immer noch tendenziell eher konservativ.

Nicht linker als Vergleichsmedien

Man kann also sagen: Gerade in den oft emotional diskutierten gesellschaftspolitischen Fragen sind die öffentlich-rechtlichen Angebote zwar überwiegend links, aber eher konservativer als die Vergleichsmedien.

Chist und Welt Jesus
Viele Journalisten sympathisieren mit den Grünen. Christ für Welt hatte allerdings auch für andere Parteien Plakate entworfen, die Bezug auf das Christentum nehmen.

Anders sieht es bei wirtschaftspolitischen Themen aus, dort sind die öffentlich-rechtlichen Medien weit staatsorientierter. Das aber dürfe die meisten Menschen, wie erwähnt, gar nicht so sehr stören, die Kritik entzündet sich oft eher an den gesellschaftspolitischen Positionierungen.

Ein anderer Ansatz

Allerdings hat dieser Ansatz den Nachteil, dass er nicht erfasst, dass manche Beiträge sich nicht auf einer links-rechts-Skala einordnen lassen. Die Mainzer haben allerdings auch gezählt, wie viele Beiträge ambivalent waren, sich also beispielsweise nicht als eher markt- oder staatsorientiert (bei den wirtschaftlichen Themen) einordnen lassen.

Besonders oft waren Beiträge auf ZDFheute.de nicht eindeutig als markt- oder staatsorientiert einzuordnen, nämlich in 31 Prozent der Fälle. Besonders selten war das bei der Tagesschau der Fall, hier waren nur 9 Prozent ambivalent. Dort waren 64 Prozent der Beiträge eher links, also staatsorientiert, etwas mehr als im Durchschnitt aller öffentlich-rechtlichen Angebot mit 60 Prozent und erst recht häufiger als in den privaten Vergleichsmedien mit 55 Prozent. Bei der Tagesschau waren aber auch 27 Prozent der Beiträge klar marktorientiert und damit mehr als die 17 Prozent der öffentlich-rechtlichen Angebote im Schnitt und auch mehr als die 23 Prozent der Vergleichsmedien, da dafür weniger Beiträge ambivalent waren, nämlich nur 9 Prozent statt je 22 Prozent bei den beiden Durchschnittswerten.

CSU schwul
Schlagzeile der BILD-Zeitung

Interessant ist der Vergleich von WDR und rbb24, den beiden besonders linken Angeboten. Dort sind jeweils 76 Prozent der Beiträge klar staatsorientiert. Allerdings sind auch zwölf Prozent der Beiträge bei rbb24 eher marktfreundlich, beim WDR nur 3 Prozent. Den Unterschied machen die ambivalenten Beiträge.

Fazit

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht zwar überwiegend links, das tun allerdings auch die privaten Medien. Auch viele Lokalzeitungen wie die Nürnberger Nachrichten stehen sowohl gesellschafts- als auch wirtschaftspolitisch links von Tagesschau oder heute. Wenn den Ergebnissen der Mainzer Forscher zu trauen ist – und das scheint mit der Fall – ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Bezug auf Meinungsvielfalt also besser als sein Ruf. Warum ich trotzdem der Meinung bin, dass Verbesserungsbedarf besteht, werde ich im übernächsten (vielleicht auch überübernächsten Beitrag beschreiben. Im nächsten werde ich zunächst auf die Privatmedien eingehen.

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