Wie links sind unsere (Privat-) Medien?

Im vergangenen Beitrag habe ich mich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt und der Frage, wie weit „links“ er wirklich steht (Spoiler: nicht so weit wie oft behauptet, aber links der Mitte). Heute soll es um die Privatmedien gehen.

In eigener Sache: 
Ein Leserbrief hat mich dazu erreicht, der behauptete, das "Links" der Medien sei gar kein echtes "Links", sondern nur ein Versuch der Eliten sich Pfründe zu sichern, deren Priesterkaste die Medien seien. Ich halte Diskussionen um die Frage "was ist wirklich links" aber für nicht zielführend. Der Begriff lässt sich nicht genauer definieren als "links ist, was die Öffentlichkeit für links hält". Ich habe mich bei der Recherche für mein Buch mit der Frage beschäftigt und keine wirklich zufriedenstellende Definition gefunden.
Natürlich ist der Begriff für unsere Zwecke deshalb gar nicht so gut geeignet, die Studie der Uni Mainz verwendet ihn daher auch kaum. Ich glaube aber, ich habe klar genug gemacht, was darunter im Text gemeint ist, nämlich einerseits die Opposition gegen traditionelle Vorstellungen in gesellschaftlicher Hinsicht, die deren Abbau oder gar Umkehr fordern. Und zweitens eine Staats- statt einer Marktorientierung in wirtschaftlicher Hinsicht. Natürlich gilt die Staatsorientierung auch für einige rechte Bewegungen wie den Faschismus. Und der Abbau gesellschaftlicher Normen kann auch ein liberales Projekt sein, vor allem wenn es um den Abbau . Weil die Begriffe links und rechts aber allgemein verwendet werden, werde ich sie auch hier benutzen.
Die Korrelation (Produkt-Moment-Korrelation nach Korrelationskoeffizient nach Bravais-Pearson) zwischen Staatsorientierung in wirtschaftlicher Hinsicht und progressiven Positionen in gesellschaftlicher ist übrigens hoch, sie liegt bei 0,67 von maximal 1,0. Nach der klassischen Einteilung von Jacob Cohen gelten Werte ab 0,5 als hoch.

Wie bereits im vergangenen Text dargestellt, sind auch die meisten privaten Medien „links“, vor allem in Ostdeutschland. Von den 20 untersuchten Privatmedien sind nur drei sowohl marktwirtschaftlich orientiert als auch tendenziell konservativ, zwei weitere zwar (deutlich) marktwirtschaftlich eingestellt, aber in gesellschaftlichen Fragen eher links (Handelsblatt, Focus) und eine zwar staatsorientiert, aber eher konservativ (RTL).

Screenshot Welt
Die WELT steht von den untersuchten Leitmedien am nächsten in der Mitte und als einzige (leicht) im konservativen und marktwirtschaftlichen Bereich. Gefühlt sind die Kolumnisten sogar noch etwas weiter im liberalen und konservativen Bereich, die Nachrichtenredaktion dagegen ebenfalls eher links der Mitte. Es dürfte deshalb aktuell die Publikation mit dem größten Meinungsspektrum sein, aber das ist nur eine subjektive Vermutung.

Vor allem in der konservativen Mitte gibt es wenig Angebot, also jener Bereich, den man im letzten Jahrhundert des vergangenen Jahrtausends als „bürgerliche Presse“ bezeichnet hätte. Von den 39 untersuchten Publikationen (20 private und 19 öffentlich-rechtliche) liegt hier nur die Welt. Sie kommt auf Werte von +0,1 in wirtschaftlichen Fragen (ist also leicht wirtschaftsliberal) und +0,3 in gesellschaftlichen (ist also leicht im konservativen Bereich – was genau die Zahlen bedeuten, habe ich im vergangenen Beitrag erklärt, sie liegen immer zwischen -2,0 und +2,0, wobei negative Zahlen für staatsorientierte und eher „progressive“ Ansichten stehen, also das, was üblicherweise als „links“ bezeichnet wird).

Tichys Einblicke und die Junge Freiheit liegen in gesellschaftlichen Fragen bei einem Wert von rund 1,0 also ähnlich weit im rechten wie taz und Frankfurter Rundschau im linken Spektrum. Beide liegen also jenseits der „bürgerlichen Mitte“. Zwischen Welt und Junger Freiheit kommt lange nichts, zumindest nichts, was von den Mainzern analysiert worden wäre.

Allerdings wirft die aktuelle Polarisierung die Frage auf, ob die Nachfrage in diesem Bereich wirklich so groß ist. Zwar ist Welt+ aktuell das größte Paid-Content-Angebot jenseits des Boulevards, das liegt aber auch daran, dass man dort die klassische Zeitung nahezu abgeschafft hat und ausschließlich auf Online setzt.

Wie „links“ ist BILD?

BILD übrigens wurde auch untersucht, sie liegt in gesellschaftspolitischen Fragen mit +0,5 deutlich im konservativen Bereich, aber mit -0,1 wirtschaftspolitisch eher im linken. Das dürfte vor allem mit der Position in Rentenfragen zusammenhängen. Obwohl die Zeitung sich auf Plakaten als Anwalt der Arbeitnehmer inszeniert, sind die Hauptadressaten Rentnerinnen und Rentner (siehe dazu auch dieser schon etwas ältere Beitrag).

Die gute alte FAZ ist nicht mehr bürgerlich-konservativ

Früher hätte man in diesem Bereich die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) gefunden. Oft wird das Blatt noch immer als „bürgerlich“ bezeichnet, oft in Sätze wie „selbst die bürgerliche FAZ …“. Was viele Leserinnen und Leser aber schon lange ahnten, wird durch die Studie bestätigt. Die Frankfurter liegen mittlerweile weit im linken Spektrum.

Gesellschaftspoltisch sind sie mit einem Wert von -0,5 ähnlich „links“ wie der Deutschlandfunk oder der Spiegel (beide -0,6), wenngleich weniger als das Schwesterblatt Frankfurter Rundschau (-1,0) oder die Süddeutsche Zeitung (-0,7). Aber sie liegen deutlich links von den großen öffentlich-rechtlichen Angeboten Tagesschau (-0,2) und vor allem Heute (+0,2).

Erstaunlich ist, dass die FAZ auch wirtschaftlich im linken Spektrum liegt. Mit rund -0,1 zwar noch relativ moderat, aber stärker als der Deutschlandfunk (ebenfalls -0,1, aber bei den Nachkommastellen zeigt sich der Unterschied) und erst recht als etwa das Handelsblatt, das zwar gesellschaftspolitischen ähnlich weit links steht (-0,4), aber wirtschaftspolitisch klar im marktliberalen Bereich (+0,7).

Wirklich erfolgreich scheint die Strategie, die Süddeutsche Zeitung zu imitieren, aber nicht zu sein. Die Blattauflage sinkt und beim Paid Content liegen die Frankfurter mit 126.000 Abos nicht nur deutlich hinter der SZ mit 178.000, sondern auch hinter der Welt, die ihren Kurs weit weniger stark verändert und sich nur moderat nach links bewegt hat und auf über 223.000 Abos kommt.

Auch Lokalzeitungen eher links

Erstaunlich ist, dass auch viele Lokalzeitungen relativ weit links stehen. Das ist deshalb überraschend, weil es in vielen Städten und Landkreisen nur ein einziges Blatt gibt. Die Zeitungen können sich also nicht auf ein Lager konzentrieren, wie das etwa die Süddeutsche Zeitung oder die taz sehr erfolgreich machen, sondern müssen ein breites Meinungsspektrum abdecken.

Schönstes Lehrerinnen-Klo
Lokaljournalismus wird oft unterschätzt.

Vor allem die ostdeutschen Blätter unter den untersuchten Publikationen stehen aber oft weit „links“. Keine einzige Lokalzeitung wurde als konservativ oder marktliberal eingestuft, Augsburger Allgemeine und Münchener Merkur landeten immerhin in der Mitte. Die übrigen sind weiter von der Mitte entfernt als Tagesschau oder Heute, die Thüringer Allgemeine übertrifft sogar die oft als „Alpen-Prawda“ verspottete Süddeutsche Zeitung.

Der Durchschnitt der Privatmedien

Im Durchschnitt kommen die untersuchten Privatmedien auf beiden Achsen auf einen Wert von -0,4. Sie liegen also links von Heute und Tagesschau, allerdings ist die Streuung bei den Privaten größer.

Das Spektrum reicht bei gesellschaftlichen Themen von -1,3 bei der taz bis hin zu -1,0 bei Tichys Einblick und Junge Freiheit (immer auf einer Skala von -2,0 bis +2,0). Wirtschaftspolitisch liegen die Pole zwischen -1,3 (Neues Deutschland) und +0,7 (Handelsblatt und Focus).

Fazit

Wie häufig kritisiert, sind die deutschen Medien in gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Fragen eher „links“. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind insgesamt sogar weiter in der Mitte als die privaten, allerdings ist bei letzteren das Meinungsspektrum größer.

Allerdings ist nach Meinungsspektrum bei den Privaten weiterhin groß, wem Spiegel, Süddeutsche Zeitung und FAZ zu „links“ sind, findet Alternativen. Allerdings ist das Angebot im konservativ-bürgerlichen Bereich eher dünn. Tichys Einblicke und Junge Freiheit liegen schon relativ weit im rechten Bereich, in der bürgerlichen Mitte liegt von den 20 untersuchten Privatmedien und 19 öffentlich-rechtlichen Angeboten alleine die Welt.

Warum ich die stetige Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für problematisch halte, obwohl sie nicht so „links“ sind wie oft behauptet und wo die Schwächen dieser Auswertung liegen, werde ich nächste Woche in einem Kommentar beschreiben.

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