Es lebe die Knolle

Die offizielle deutsche „Antidiskriminierungsbeauftragte“ ist bekannt dafür, dass sie „Biodeutsche“ gerne als „Kartoffeln“ bezeichnet. Das ist keine besonders intelligente Beschimpfung, wie ein Blick in mehrere jüngst veröffentlichte Statistiken zeigt. Denn die Kartoffel – und damit meine ich die Knolle – schneidet in Bezug auf den CO₂-Ausstoß pro Kilogramm beim Anbau sehr gut ab.

Wenig originelle Beschimpfung

Nun kann man natürlich fragen, ob es generell intelligent ist, Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu beschimpfen, egal ob als Kartoffeln, Spaghetti (so nannte man früher italienische „Gastarbeiter“) oder anderweitig. Lediglich die Einwohner einiger deutscher Städte darf man getrost mit dem Namen eines Essens ansprechen, etwa als Hamburger, Frankfurter oder Nürnberger.

Hamburger
Wer Menschen aus der oben dargestellten Stadt als Hamburger bezeichnet, spielt damit nicht auf ein typisches Landesessen an.

Aber wir sind ja kein Moral-Blog, sondern der Statistiker-Blog. Eher durch Zufall bin ich auf eine Reihe von Statistiken zum Thema „Umwelteinflüsse der Nahrungsmittelproduktion“. Wenig verwunderlich haben die eben erwähnten Hamburger keine gute Ökobilanz – und hier meine ich jetzt nicht die Bewohner der Hansestadt, sondern das Essen.

In diesem Abschnitt moralisiere ich etwas…

Klar, dass pflanzliche Kost hier besser dasteht. Schätzungen zufolge könnten wir den Landverbrauch um 75 Prozent reduzieren, wenn alle Menschen nur noch pflanzliche Nahrung essen würden. Dieser Wert ist zwar nur rein theoretisch, weil die Umwandlung von Almen im Gebirge oder Weideflächen in der argentinischen Pampa weder möglich noch ökologisch wünschenswert ist, allerdings essen wir aktuell deutlich mehr Fleisch, als es Weideflächen gibt, die sich für den Anbau von Obst und Gemüse nicht eignen. Außerdem ist eine zu fleischhaltige Kost vermutlich nicht gesund.

Ich will aber jetzt nicht zu viel moralisieren, zumal ich selbst meinen Fleischverbrauch zwar reduziert habe, aber nicht völlig darauf verzichte. Kehren wir zu unseren Kartoffeln zurück.

Verschiedene Arten der Betrachtung

Grundsätzlich gibt es mehrere Arten, die ökologische Auswirkung von Nahrungsmitteln zu untersuchen. Eine haben wir gerade gesehen, nämlich den Landverbrauch. Wir können aber auch auf den CO₂-Ausstoß schauen. Beides ist nicht unbedingt identisch.

Landverbrauch oder CO₂-Ausstoß?

Wie ich bereits hier im Blog geschrieben habe, benötigen „Bioprodukte“ deutlich mehr Land, bei vielen Produkten rund ein Drittel mehr. Bei den meisten Produkten sorgen sie vermutlich auch für einen höheren Ausstoß von Kohlendioxid, aber zumindest bei Früchten scheint diese Anbaumethode beim CO₂ besser dazustehen.

Ganz trivial ist der Vergleich nicht. Beispielsweise entsteht beim Herstellen von Kunstdünger viel CO₂. Ökolandbau verwendet oft natürlichen Dünger wie Gülle, was zu der besseren Bilanz führt. Allerdings lässt sich natürlich auch moderne Landwirtschaft mit Gülledüngung verbinden. Außerdem gibt es nicht genug Gülle als Düngemittel, wenn alle Landwirte darauf umsteigen würden, schon gar nicht, wenn der Fleischkonsum wie geplant sinkt.

Aber nehmen wir zunächst mal zur Kenntnis, dass es hier Zielkonflikte geben kann, etwa zwischen Klimazielen und dem Wunsch mehr Menschen besser zu ernähren und gleichzeitig den Landverbrauch zu reduzieren. An dieser Stelle sollten wir kurz auch noch mal daran denken, dass immer noch viele Menschen hungern oder zumindest einseitig ernährt werden und dass Ernährungssicherheit ein wichtiges Ziel ist.

Kilogramm versus Kilokalorien

Eine zweite Frage ist, ob wir den CO₂-Ausstoß, Landverbrauch oder die Feinstaubemission bei gleicher Erntemenge in Kilogramm oder gleicher Kalorienanzahl vergleichen. Fleisch ist sehr nahrhaft, ich muss weniger essen, um ausreichend Kalorien zu mir zu nehmen. Andererseits essen wir nicht automatisch weniger, wenn wir kalorienreiche Nahrung essen, wir werden einfach nur dicker.

Kartoffel steht in jedem Fall gut da

Glücklicherweise sind die Unterschiede bei vielen Lebensmitteln so eindeutig, dass es im direkten Vergleich keinen Unterschied macht, welche Betrachtung wir wählen. Und die Kartoffel steht fast immer gut da.

Die fünf CO₂-intensivsten und fünf CO₂-ärmsten Nahrungsmittel sowie ausgewählte weitere Produkte. Treibhausgase pro Kilogramm Ernte in CO₂-Äquivalenten. Quelle: Ritchie, Hannah und Roser, Max: Environmental Impacts of Food Production

Betrachten wir mal den Ausstoß von Kohlendioxid pro Kilogramm. Genauer müsste man von CO₂-Äquivalenten sprechen. Denn andere Treibhausgase wie Methan werden ebenso berücksichtigt. Weil die Auswirkung aufs Klima unterschiedlich groß ist, werden diese umgerechnet. Es wird dann die Menge Kohlendioxid erfasst, die die gleiche Auswirkung aufs Klima hat.

Rindfleisch und dunkle Schokolade schneiden besonders schlecht ab. Zum Glück isst man von dunkler Schokolade meist ohnehin geringe Mengen. Beim Rindfleisch hängt die Bilanz davon ab, ob die Kühe nur zur Fleischgewinnung gezüchtet wurden oder auch Milch geben.

Unter den wichtigsten Nahrungsmitteln, die üblicherweise mittags auf den Tisch kommen, schneidet nur Wurzelgemüse besser ab, also unter anderem Karotten. Weitet man die Betrachtung auf alle Lebensmittel aus, schneiden auch Äpfel, Zitrusfrüchte und Nüsse besser ab. Die gibt es allerdings meist nicht zum Mittagessen.

Andere Untersuchungen kommen zu etwas anderen Ergebnissen, die grobe Tendenz ist allerdings dieselbe. Auch die Zubereitung bleibt hier außen vor, Kartoffeln müssen etwas länger gekocht werden als etwa Reis.

Landverbrauch

Beim Landverbrauch ist die Kartoffel nicht ganz so erfolgreich, schneidet aber ganz passabel ab.

Landverbrauch in Quadratmeter pro Kilogramm.

Auch hier sind tierische Produkte nicht sehr erfolgreich. Leider liegt auch die von mir geschätzte dunkle Schokolade relativ weit vorn, allerdings konsumiert man die ja üblicherweise nicht in großen Mengen.

Die Kartoffel liegt beim Landverbrauch deutlich hinter dem Reis, der allerdings beim Kohlendioxid nicht besonders gut ist. Und sie schlägt Tofu, Mais oder Erbsen.

Wurzelgemüse ist der eigentliche Sieger

Die Kartoffel in allen Ehren, noch besser schneidet das Wurzelgemüse ab, also Karotten, Sellerie oder Steckrüben. Das hat nicht nur eine bessere CO₂-Bilanz, sondern benötigt auch wenig Land. Der gute alte Steckrübeneintopf mit Kartoffeln ist also in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz fast nicht zu toppen. Ob das geschmacklich auch gilt, darüber kann man streiten.

Wenig Kohlendioxid entsteht übrigens auch beim Anbau von Gerste. Ob das Bier nach dem Brauen aber auch noch so eine gute Bilanz hat, ist fraglich.

Tagged with: , ,

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .