Sind die Medien schuld an der Polarisierung Ostdeutschlands?

Na gut, die Überschrift ist natürlich etwas polemisch. Dass beispielsweise in Sachsen aktuell keine Koalition mehr möglich ist, ohne entweder das linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht oder die rechtspopulistische AfD zu beteiligen, liegt nicht alleine an den ostdeutschen Medien. Aber die Frage ist nicht ganz unberechtigt. Wer sich an die vergangenen zwei Beiträge über politische Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen und der privaten Medien erinnert, weiß vielleicht noch, dass gerade ostdeutsche Medien oft besonders „links“ sind.

rbb24 und MDR besonders radikal

Zwar stehen die öffentlich-rechtlichen Sender auch im Westen sowohl in wirtschaftlichen als auch in gesellschaftlichen Fragen eher in einem Bereich, den man allgemein als „links“ bezeichnen würde, aber sie tun das weniger stark als in Diskussionen oft behauptet. BR24 und die ZDF-Nachrichtensendung heute stehen in gesellschaftlichen Themen nach Ansicht der Mainzer Publizistikforscher sogar eher im konservativen Bereich.

Wohnen
So sah es 1989 im thüringischen Suhl aus.

Dagegen stehen der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) sowohl in wirtschafts- als auch gesellschaftspolitischer Hinsicht weit links. Wirtschaftspolitisch überholt zwar der als chronisch „rot“ verschriene Westdeutsche Rundfunk (WDR) die ostdeutschen Sender, doch gesellschaftspolitisch liegt dieser deutlich weiter in der Mitte.

Thüringer Allgemeine überholt SZ

Auch bei den privaten Medien fällt ein ostdeutscher Anbieter ins Auge, die Thüringer Allgemeine. Sie steht sowohl in wirtschaftspolitischen wie gesellschaftspolitischen Fragen weit „links“ und zieht in beiden Kategorien sogar an der Süddeutschen Zeitung vorbei. Lediglich Frankfurter Rundschau, taz und Neues Deutschland übertreffen die Zeitung auf beiden Achsen.

Die Zeitung ist mit ihren Schwesterblättern Ostthüringer Zeitung und Thüringische Landeszeitung eine der auflagenstärksten Regionalzeitungen. Und das in einem Bundesland, in dem die AfD aktuell rund ein Drittel der Stimmen erhalten würde. Da ist es wenig erstaunlich, wenn viele Menschen nicht mehr zu traditionellen Medienangeboten greifen.

Das Nationaltheater in Weimar

Die Sächsische Zeitung in Dresden ist nicht ganz so radikal, steht aber ebenfalls deutlich „links“ vom Mittelwert der untersuchten Vergleichsmedien.

Beide Blätter sind aus alten SED-Zeitungen hervorgegangen, die Thüringer Allgemeine hieß bis 1990 „Das Volk“. Vielleicht erklärt das die Positionierung.

Was tun?

Auch wenn die ostdeutschen Verlage und Sender nicht alleine am mangelnden Vertrauen vieler Menschen in Ostdeutschland in „die Medien“ schuld sind, so sollte man in den betroffenen Häusern doch mal über die Ausrichtung nachdenken.

In Nürnberg leistete man sich bis 2020 zwei Zeitungen, die im gleichen Verlag erscheinen und auch teilweise identisch sind. Vor allem Wochenendteile und die Lokalseiten in den Orten außerhalb Nürnbergs waren identisch, doch es gab an vielen Stellen auch Unterschiede. Insgesamt waren die Nürnberger Nachrichten eher links, die Nürnberger Zeitung stand eher in der Mitte.

Nürnberger Zeitung Screenshot
Die ehemals konservative Nürnberger Zeitung erscheint zwar noch, seit 2020 wird sie aber von der gleichen Redaktion wie die Nürnberger Nachrichten produziert. In älteren Werbungen war noch von Konservativ, klug, kritisch die Rede.

Allerdings kostete das viel Geld und seit 2020 werden beide Zeitungen in einer gemeinsamen Zentralredaktion produziert. Online gibt es überhaupt keinen Unterschied mehr. Also eher kein Modell für die Zukunft.

Bleibt die Möglichkeit, sich gezielt Autoren mit abweichenden Meinungen einzukaufen. Oft reicht es schon, in den Kommentaren für etwas Meinungsvielfalt zu sorgen. Das ist auch die Strategie anderer Medien. Eine Auswertung aus den USA kam zu dem Ergebnis, dass dort in vielen vermeintlich konservativen Redaktionen die meisten Berichte eher „links“ eingefärbt sind, die Kommentare eher konservativ. Das scheint in Deutschland auch für die Welt zu gelten, wo die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten eher rot oder grün wählen, wie der Kolumnist Jan Fleischhauer mit Verweis auf eine interne Umfrage behauptet.

Fazit

Natürlich sind die ostdeutschen Medien nicht alleine Schuld an der Polarisierung in ihrem Bundesland. Trotzdem schadet es dem Diskurs, wenn sowohl öffentlich-rechtliche Angebote wie MDR und RBB sowie private wie die Thüringer Allgemeine politisch so weit von ihrem Durchschnittswähler entfernt sind.

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