Ist das schon die zweite Welle?

Eigentlich wollte ich ja nichts direkt über die Corona-Daten schreiben und eigentlich auch nur einen Beitrag pro Monat. Aber die neuen Zahlen schreien fast nach einem näheren Blick. Es fällt auf, dass rund drei Wochen nach der ersten Lockerung die Zahl der neu gemeldeten Fälle (Inzidenzen) wieder nach oben gehen. Das ist deshalb interessant, weil es ungefähr so lange dauert, bis neue Infektionen auch tatsächlich diagnostiziert und gemeldet sind. Und gestern am 8. sowie heute am 9. Mai liegt das erste Mal seit dem 3. April der 7-Tage-Schnitt höher als am Vortag. Aber der Reihe nach.

Entwicklung Covid 19
Neu gemeldete Covid-19-Fälle sowie 7-Tage-Schnitt. Quelle: Eigene Grafik nach Daten des Robert Koch Institut

Der Anstieg

Tatsächlich lag die Zahl der neu gemeldeten Fälle am Montag nur bei 488 und damit so niedrig wie seit dem 11. März nicht mehr. Dann ging es deutlich rauf, auf 855 am Dienstag, 1.155 am Mittwoch, 1.268 am Donnerstag und 1.209 am Freitag (mittlerweile ist auch der Samstag mit 1.251 da).

Gestiegen ist allerdings nur die Zahl der Neuinfektionen, die der aktuell Kranken sinkt weiter. Denn die Zahlen werden aufkumuliert. Es werden also immer die neuen Fälle zu den alten dazugezählt, die verstorbenen oder gesundeten aber nicht wieder abgezogen. Die Zahl der bekannten, aktuell erkrankten Fälle liegt bei etwa 25.000. Denn von den rund 168.600 Erkankten sind mittlerweile rund 7.400 verstorben und 143.300 gesundet. Auch aktuell (also am 9. Mai) ist die Zahl der Gesundeten noch höher als die der Neufälle. Aber kann das so bleiben, wenn die Zahl der Neufälle wieder steigt?

Saisonale Schwankungen

Ein Blick auf die Grafik zeigt schon, dass man mit Aussagen wie „die Zahlen steigen wieder“ vorsichtig sein muss, vor allem wenn man die einzelnen Tage betrachtet. Es gibt nämlich ein klares Muster. Sonntag, Montag und Dienstag sind die Zahlen immer niedriger. Betrachtet man die Zahlen seit dem 28. Januar, wurden an Montagen durchschnittlich 20,4 Prozent weniger Fälle gemeldet als im Schnitt aller Wochentage, am Freitag 22,7 Prozent mehr.

Das Bild verändert sich etwas, wenn wir nur die Daten seit dem 3. April betrachten, also seitdem der 7-Tage-Schnitt fällt. Dann liegt der Montag sogar 30,1 Prozent niedriger, der Freitag 27,8 Prozent höher. Auch die anderen Tage verschieben sich etwas, besonders stark der Donnerstag, der insgesamt 22,4 Prozent über dem Schnitt liegt, seit April aber nur 10,8. Für die anderen Tage ist der Unterschied nicht so groß und das Muster bleibt insgesamt gleich.

Covid Fallzahlen Schwankung Wochentag Grafik
Abweichung der jeweiligen Wochentag vom Wochenschnitt seit Anfang April.

Hier macht sich das Wochenende bemerkbar. Dass es drei Tage umfasst und vor allem am Montag und Dienstag wirkt dürfte daran liegen, dass das Wochenende auf verschiedene Arten wirkt. Weniger Menschen gehen zum Arzt (der dann einen Test anordnet) und weniger Tests werden durchgeführt. Am Montag kommen beide Effekte zusammen.

Saisonbereinigung?

Natürlich könnte man jetzt überlegen die Daten einer Saisonbereinigung zu unterziehen, wie es beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit mit den Arbeitslosenzahlen macht. Dabei wird ein Saisoneffekt identifiziert und dann aus den Daten herausgerechnet. Ein sehr einfaches (und aber auch sehr grobes) Verfahren wäre es, einfach jeden Montag mit dem Faktor 1,4 zu multiplizieren, den Freitag mit 0,8 und so die um 30,1 Prozent zu niedrige beziehungsweise 22,4 Prozent zu hohe Zahl auszugleichen.

Aber da Verfahren ist nicht nur sehr grob, auch ein komplexeres wäre auf Ebene von Tagen problematisch. Allein der 1. Mai als Feiertag bringt alles durcheinander. Außerdem war in den vergangenen Wochen eher der Donnerstag der Ausreißer nach oben.

Hinzu kommen zufällige Schwankungen, es ist also schlicht nicht möglich, auf Basis von wenigen Tagen eine Trendwende vorherzusagen.

Mit gleitendem Durchschnitt und Vorwochentag das Problem umgehen.

Beunruhigender ist der erste Anstieg zum gleichen Tag der Vorwoche seit dem 3. April. Am Freitag, den 8. Mai lag die Zahl der neu gemeldeten Fälle um 141 höher als genau eine Woche zuvor, also am 1. Mai. Am Samstag, den 2. Mail lag die Zahl der Neufälle sogar um 361 höher als am Vorwochentag. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass der 1. Mai ein Feiertag war, was auch die Zahlen für den 2. Mai beeinflusst. 

Fallzahlen Corona Statistik Vorwochenvergleich
Veränderung der neu gemeldeten Fälle zum gleichen Tag der Vorwoche. Die beiden jüngsten Daten sind Freitag, der 8. Mai und Samstag, der 9. Mai. Der Vergleich bezieht sich jeweils auf die Veränderung gegenüber dem Vorwochentag, also Freitag dem 1. Mai und Samstag, dem 2. Mai. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass der 1. Mai ein Feiertag war.

Das Problem können wir etwas reduzieren, wenn wir den einfachen gleitenden 7-Tages-Durschnitt betrachten. Auch der ist – schon seit Donnerstag – das erste Mal seit Anfang April wieder angestiegen. Allerdings ist in all diesen Zahlen die Dunkelziffer nicht enthalten. Eine Zunahme der Fälle – auch im 7-Tages-Schnitt – kann deshalb leicht eine Folge zunehmender Test sein. Wird mehr getestet, werden auch mehr Fälle entdeckt. Das ist ähnlich wie bei Verkehrs- oder Fahrausweiskontrollen. Werden sie ausgeweitet, steigt die Zahl der erfassten Verstöße.

Wir sollten also noch nicht zu viel in die Daten hineininterpretieren. Wir sollten also noch ein wenig mit einem Urteil abwarten.

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