Impfen Reiche weniger als Arme?

Kein eindeutiges Ergebnis ist auch ein Ergebnis, das wird leider oft vergessen. Und so dringen viele Thesen ins öffentliche Bewusstsein, die von einer Studie bestätigt wurden, obwohl weitaus mehr sie widerlegt haben. Deshalb soll es heute um eine Hypothese gehen, die ich nicht eindeutig bestätigen konnte.

Der Impfkrieg

Zugegeben, die Schlagzeile Impfkrieg ist etwas boulevardesk. Aber zweifellos ist die Schutzimpfung ein erstaunlich emotionales Thema. Warum aus gerechnet sie, kann ich mir auch nicht unbedingt erklären. Vielleicht weil der Nutzen nicht so unmittelbar sichtbar ist wie bei einer Behandlung mit Antibiotika.

Die Faktenlage ist jedenfalls einigermaßen eindeutig. Die überwiegende Zahl von Studien kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen tatsächlich sinnvoll und nicht gefährlich sind.

Impfen Kritik
Der Kampf gegen die Pocken (hier das Pockenvirus) ist vielleicht einer der größten Erfolge der Impfbewegung. Bild: Pressebild des Robert Koch Instituts

Trotzdem gibt es eine starke Bewegung vehementer Impfgegner. Für sie sind alle Belege für die Wirksamkeit von Impfungen nur von der Pharmaindustrie gefälscht. Dazu muss man sagen, dass eine gewisse Skepsis gegenüber von Unternehmen, Verbänden und Parteien in Auftrag gegebenen Studien sicher richtig ist.

Impfquote Masern
Betrachtet man die Impfquoten für die Masern-Erstimpfung nach Kreisen fällt auf, dass die Verteilung linksschief ist. Das ist aber bei einer durchschnittlichen (Erst-) Impfquote von 85,6 Prozent auch nicht verwunderlich. So liegen einige Kreise rund 25 Prozentpunkte unter dem Schnitt. 25 Prozentpunkte über dem Schnitt kann natürlich kein Kreis liegen.

Allerdings gibt es auch zahlreiche öffentlich finanzierte Untersuchungen. Der Vorwurf, Impfen verursache den plötzlichen Kindstod, wurde unter anderem vom Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, untersucht. Ein Zusammenhang konnte nicht gefunden werden. Auch andere angebliche Impfschäden wie Autismus sind nicht belegt.

Das Beispiel Masernimpfung

Trotzdem gibt es eine nicht unbeachtliche Zahl von Impfgegnern. Sie sind zwar eine Minderheit, allerdings eine durchaus lautstarke. Nach Daten des Versorgungsatlas, einer Publikation des Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, wurden von den 2008 geborenen Kindern, die an der U4 teilnehmen, 85,8 Prozent bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahrs geimpft. An der zweiten Impfung nahmen allerdings nur noch 62,0 Prozent der Kinder teil. Erst dann ist der Impfschutz eigentlich ausreichend.

Außen vor bleiben aber alle Kinder, die nicht an der U4 teilnehmen, also der vierten Vorsorgeuntersuchung. Damit dürfte die tatsächliche Impfquote noch niedriger sein. Allerdings geben die Zahlen uns ein Gefühl, wie viele Eltern sich bewusst gegen die Impfung entscheiden, also zur U4 gehen und sich dann gegen eine Impfung entscheiden.

Niedrige Impfquote wo
Die fünf Kreise mit der niedrigsten und die fünf Kreise mit der höchsten Impfquote in Deutschland. Datenquelle: Versorgungsatlas.de

Die 85,8 Prozent sind allerdings nur ein Mittelwert. Die Quote reicht von nur 61,3 Prozent im Landkreis Rosenheim bis hin zu 94,8 Prozent in der Stadt Zweibrücken. Überhaupt sind die Impfquoten in Südbayern und Baden-Württemberg sehr niedrig. Auch die für ostdeutsche Verhältnisse wohlhabenden Sachsen impfen wenig, mit 80,2 Prozent haben sie vor Bayern, Baden-Württembergern und Berlinern sogar die niedrigste Impfquote überhaupt.

Das wirft die Frage auf, ob Wohlstand impfmüde macht. Außerdem sind vor allem Landkreise am unteren Ende der Skala, am oberen finden sich dagegen drei kreisfreie Städte. Sind Landbewohner also weniger impffreudig? Ich werde mich beiden Fragen widmen.

Das Stadt-Land-Umland-Gefälle?

Der Impfatlas unterscheidet vier verschiedene regionale Kategorien. Da sind natürlich die Kernstädte, die meist Großstädte sind. Kleine kreisfreie Städte wie Zweibrücken (34.260 Einwohner) oder Suhl (36,778 Einwohner) werden nicht als Kernstädte gezählt, sondern je nach Region eingeordnet. Die direkt an Nürnberg grenzende Stadt Schwabach (40.428 Einwohner) gilt als verdichtetes Umland, das deutlich größere Rosenheim (61.884 Einwohner – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, impfmüden Landkreis) aber wegen seiner Lage als ländlicher Raum. Neben Kernstädten, ländlichem Raum und verdichtetem Umland gibt es noch das ländliche Umland, also Kreise in der Nähe von Großstädten mit niedriger Besiedlungsdichte, beispielsweise der Kreis Regensburg.

Obstbäume
Nicht jeder Landkreis ist ländlich, der Landkreis München ist beispielsweise dichter besiedelt als die Stadt Ansbach. Die hier abgebildete Region darf man dagegen ländlich nennen.

Einen eindeutigen Zusammenhang findet man aber in den Daten nicht. Meine These, dass sich Impfgegner vor allem im Umland von Großstädten finden – und hier vor allem im ländlichen Umland – hat sich nicht bestätigt. Am niedrigsten sind die Quoten im ländlichen Raum, am höchsten in den Kernstädten und im verdichteten Umland. Allerdings sind die Unterschied gering, so dass man schließen muss: Es gibt kein eindeutiges Ergebnis.

Impfmüde Reiche?

Die zweite These wäre, dass vor allem wohlhabende Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Sie haben aufgrund ihres Einkommens und oft auch ihrer Bildung mehr Selbstbewusstsein und hinterfragen stärker Ratschläge und Hinweise. Jeder Arzt, Lehrer oder Bankberater weiß, dass Akademiker oft anstrengend sein können. Gott mag alles wissen, aber Akademiker wissen alles besser, sagt ein Sprichwort.

Nun ist Wohlstand nicht mit akademischer Bildung gleichzusetzen, auch Industriearbeiter können gut verdienen, oft sogar mehr als mancher Studierte. Allerdings, so die These, haben auch sie aufgrund ihres finanziellen Erfolgs ein gewisses Selbstbewusstsein und impfen daher seltener.

Impfquote hoch warum
Zusammenhang zwischen Einkommen und Impfquote: Es gibt einen leichten Trend, aber keinen deutlichen Zusammenhang.

Eine grafische Darstellung zeigt tatsächlich eine leicht fallende Kurve, wenn man das verfügbare Einkommen pro Kopf der Landkreise der Impfquote gegenüberstellt. Bessere wären natürlich Einzeldaten, aber die sind aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zu bekommen.

Der Zusammenhang, der sich auch Kreisebene zeigt, ist allerdings sehr schwach. Der Korrelationskoeffizient (Bravais-Pearson) liegt bei -0,21. Das bedeutet, dass die Impfquote sinkt, wenn das Einkommen steigt. Ein Wert von 0,21 zeigt nach der Einteilung von Jacob Cohen (bekannt vor allem für Cohens Kappa und Cohens d) einen kleinen Effekt an.

Fazit

Es gibt also einen leichten Zusammenhang zwischen Einkommen und Impfquote, höhere Einkommen bedeuten auf Kreisebene tendenziell fallende Impfquoten. Allerdings ist der Effekt so schwach, dass man ihn nicht überbewerten sollte. Möglicherweise handelt es sich um einen Scheinzusammenhang, denkbar ist das eine dritte Variable beide beeinflusst. Außerdem sind die Ergebnisse natürlich dadurch eingeschränkt, dass Kinder nicht erfasst werden, die erst gar nicht zur U4 gegangen sind.

 

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