Denkfehler beim Institut der Deutschen Wirtschaft

Aktuell arbeite ich an einer Datensammlung zum Thema Gleichberechtigung. Also suche ich aktuell Daten zu Themen wie Einkommen, Arbeitslosigkeit, Rentenhöhe, Rentenbezugsdauer, Lebenserwartung und so weiter. Dabei bin ich über eine Grafik des Instituts der Deutschen Wirtschaft gestoßen.

Unter dem reißerischen Titel „Die Job-Sieger“ wird dort die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Männern und Frauen von 2005 bis 2015 verglichen. Erstaunt stellt das Institut fest, dass fast überall die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen stärker gestiegen ist als die der Männer. Einzige Ausnahmen sind Berlin, Leipzig und Dresden.

Der Autor vermutet, dass vor allem die Branchenstruktur dafür verantwortlich sei, dass die Zuwächse bei den Frauen fast überall höher sind als bei den Männern. Das ist aber Unsinn, die Erklärung ist viel banaler. Das zeigt schon die Tatsache, dass die Ausnahmen Leipzig, Dresden und Berlin alle im Osten der Republik liegen.

Der Grund für die unterschiedliche Entwicklung liegt schlicht und einfach darin, dass die Frauen im Westen Nachholbedarf haben. Ihre Beschäftigungsquote ist dort deutlich niedriger als die der Männer, steigt aber seit langem kontinuierlich an. Das hätte das IW Köln mit wenigen Klicks bei der Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfahren können. Dort kann man die Beschäftigtennachschlagen, den Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer an allen Menschen von 15 bis unter 65. ozialversicherungspflichtig ist jeder, Festangestellte, der Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss, aber nicht geringfügig beschäftigt ist, also nahezu alle Arbeiter und Angestellten mit einem Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze

Wohnen
Auch wenn es mir fern liegt, die DDR zu idealisieren. In Sachen Gleichberechtigung hat man dort einiges geleistet. Foto: Felix O.

Dort erfährt man, dass die Erwerbsquoten von Frauen und Männern im Osten 2016 praktisch genau gleich hoch sind. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt auf den ersten Blick mit 59,9 Prozent sogar eine um 0,1 Prozentpunkte höhere Quote für die Frauen, die verschwindet aber, wenn man die zweite Nachkommastelle einblendet, dann liegt der Unterschied bei 58,82 Prozent für Männer und 58,85 Prozent für Frauen. Im Jahr 2015, auf das sich die Daten des IW Köln beziehen, gab es sogar tatsächlich einen Unterschied, mit 58,63 war die Erwerbsquote der Frauen sogar 0,41 Prozent höher. Daten der Süddeutschen Zeitung zeigen, dass Frauen im Osten sogar teilweise mehr verdienen als Männer.

Ganz anders im Westen, dort sind 62,3 Prozent der Männer, aber nur 54,4 Prozent der Frauen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Jahr 2005 lag der Unterschied sogar noch höher. Damals waren nur 43,3 Prozent der Frauen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wegen der schlechten Arbeitsmarktlage waren damals aber auch Männer nur zu 53,3 Prozent in einer derartigen Anstellung.

BA Nürnberg
Die Bundesagentur für Arbeit zählt nicht nur Arbeitslose, sondern auch Beschäftigte. Foto: Pressebild der Bundesagentur für Arbeit

Die Frauen haben also schlicht aufgeholt. Lediglich für einige Regionen wie Duisburg und Saarbrücken kann die unterschiedliche Tätigkeit von Frauen und Männern eine Rolle spielen. Dort ist der Unterschied auffällig groß. Liegt das an der Krise der Industrie? Womöglich zum Teil, allerdings gibt es auch hier einen anderen Effekt. Ein Blick in die Daten der Agenturen für Arbeit zeigt, dass in Duisburg und Saarbrücken auch aktuell die Quote der sozialversicherungspflichtigen Männer noch immer mehr als zehn Prozentpunkte über der der Frauen liegt. Wahrscheinlichste Erklärung: Die hohen Gehälter in der Industrie begünstigt klassische Rollenmodelle.

Der Trend zu Dienstleistungsarbeitsplätzen hat also wenig mit der beobachteten Entwicklung zu tun. Zumal es zunehmend Männer in ehemaligen Frauenberufen wie Erzieher und Frauen in ehemaligen Männerberufen gibt. Und beispielsweise auch IT-Arbeitsplätze zulegen – und traditionell eher männerdominiert sind.

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