Privat vor Staat?

Das Statistische Bundesamt hat es heute gemeldet, immer mehr Studenten studieren an privaten Hochschulen. Das lässt zunächst einmal aufhorchen. Immerhin sind diese Institutionen meistens nicht ganz billig und stehen damit nur einem Teil der Studienwilligen offen. Das ist nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem, sondern kann auch wirtschaftlich ein Problem werden, wenn zweitklassige Leute nur aufgrund einer erstklassigen Ausbildung im Chefsessel Platz nehmen.

Ein genauer Blick in die Daten ist deshalb sehr interessant. Denn die Mehrheit der Studierenden zieht es nicht an tatsächliche oder vermeintliche Elite-Unis wie die Jacobs University Bremen, die Bucerius Law School in Hamburg oder die Universität Witten-Herdecke, sondern an private Fachhochschulen. Zumal, ganz nebenbei bemerkt, auch nicht jede private Universität ein deutsches Harvard ist oder gar sein will. Darunter befinden sich beispielsweise die AKAD Fernuniversität für Berufstätige, das Seminar für Waldorf-Pädagogik in Stuttgart (eigentlich private wissenschaftliche Hochschule Stuttgart) und die Psychologische Hochschule Berlin.

Studierende an privaten Hochschulen nach Hochschulart
Der überwiegende Teil der Studierenden an privaten Hochschulen studiert an Fachhochschulen. Der sehr geringe Anteil an kirchlichen privaten Hochschulen hängt auch damit zusammen, dass kirchliche Hochschulen eine eigene statistische Kategorie sind. Hier sind nur Studierende an solchen kirchlichen Hochschulen erfasst, die privatrechtlich organisiert sind. Quelle: Statistisches Bundesamt

Die privaten Kunsthochschulen und die theologischen Hochschulen sind es erst recht nicht, die im großen Stile Studierende anziehen. Bei der sehr geringen Studierendenzahl der theologischen Hochschulen ist allerdings zu berücksichtigen, dass kirchliche Hochschulen nicht als private Hochschulen zählen, sondern als kirchliche. Bei den hier aufgezählten theologischen Hochschulen handelt es sich um zwei Einrichtungen in Hessen, die nicht von der katholischen Kirche oder der evangelischen Landeskirche betrieben werden, sondern von privaten Trägern und die vor allem Theologen für Freikirchen und Landeskirchliche Gemeinschaften ausbilden (vgl. hier).

85 Prozent der Studierenden gehen an die Fachhochschulen. Das ist verwunderlich, schließlich gelten die Fachhochschulen vielen nur als zweite Wahl, auch wenn sich die Unterschiede durch die Umstellung auf Bachelor und Master verwischt haben. Das Hauptmotiv für den Wechsel an eine private Hochschule scheint also überwiegend nicht der Wunsch zu sein, einem elitären Zirkel anzugehören.

Zuwachs Studierende private Hochschulen Grafik
Absoluter Zuwachs der Zahl der Studierenden an privaten Hochschulen seit 1995 nach Hochschulart. Quelle: Statistisches Bundesamt

Auch der Zuwachs bei den Studentenzahlen speist sich vor allem aus den Fachhochschulen. Seit 1995 hat sich die Zahl der Studienanfänger um rund 32.200 erhöht, das entspricht einem Plus von 1.179 Prozent. Von dem Zuwachs haben überwiegend die Fachhochschulen profitiert, dort nahmen jetzt rund 27.500 Menschen mehr ihr Studium auf als 1995. Was aber geradezu erstaunlich ist, auch prozentual haben die FHs mit einem Plus von rund 1.185 Prozent besonders stark zugelegt, obwohl man aufgrund der geringen Studienanfängerzahl an privaten Unis im Jahr 1995 von knapp über 400 dort besonders leicht hohe prozentuale Zuwächse erreichen können.

Ein Blick in die Übersicht zeigt, dass vor allem die Fernhochschulen viele Studierenden haben. Unter den größten privaten Hochschulen befinden sich neben der FH Berufsförderungswerk der Stiftung Rehabilitation Heidelberg mit 2.800 Studienanfängern vor allem Fernhochschulen wie AKAD (wozu sowohl eine FH als auch eine Uni gehören), die Europäische Fernhochschule Hamburg (5.600 Studienanfänger), die Hamburger Fernhochschule (9.400 Studienanfänger) und die Wilhelm-Büchner-(Fern-)Hochschule Darmstadt (5.800 Studienanfänger). Von den Präsenz-Hochschulen schaffen es nur wenige in die Spitzenliga.

Es scheint, als stände weniger der Wunsch nach Elitenbildung als der nach neuen Lernformen hinter dem Zuwachs der Studienanfänger an privaten Hochschulen. Gut muss man das deswegen nicht automatisch finden, aber wer die Zahlen diskutiert, sollte das im Hinterkopf haben. Vor allem, weil Lehre in der staatlichen Hochschullandschaft oft immer noch keine Meriten einbringt.

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2 Comments on “Privat vor Staat?

  1. Neue Lernformen: ja, ist in der Tat so! Viele möchten mehr Theorie und Hintergrundwissen, was die Fachschulen nicht hergeben. So kommt es mittlerweile massennhaft vor, dass ERzieherinnen noch mal an einer FH Frühpädagogik studieren, also denselben Beruf noch mal lernen! Wie verrückt, wo es den im Ausland eh nur noch als Studium gibt. In DE lernt man alles doppelt.

    Bei den Fernstudiengängen dasselbe: hier sollte man die Angebote sogar weiter ausbauen, die Nachfrage ist vorhanden. Da fehlt aber noch die Vielfalt. Im Ausland kann man viel leichter viel mehr Fächer als Fernstudent studieren.

  2. die privaten Hochschulen decken Studiensegmente ab, die die öffentlichen Hochschulen nicht anbieten. Das sind z.B. sämtliche Gesundheitsberufe wie Logopäde, Ergotherapeut, Paramedic etc…. es gibt nun mal genug, die diesen Beruf nunmal theoretisch angelegter studieren wollen statt Fachschulebene.

    ansonsten auch noch viele Modefächer, die dort angeboten werden mit Kommunikation, Medien, Eventmanagement.

    DE bietet nicht genug gute Bildungsgänge im Bereich des Gesundheitswesens an. Diese Fächer sind aber genau wie Soziale Fächer sehr beliebt!!

    ich habe mir einige private FH angesehen aus Interesse. Bsp. Soziale Arbeit: an staatlichen Hochschulen sind diese Fächer so beliebt, dass man einen NC von oft 1,6 bis 2,0 benötigt.

    an den privaten FH studieren also jene, die nicht in die Soziale Arbeit der staatlichen FH hereinkommen, z.B. kirchliche Sozialarbeit, Diakonie oder Sozialarbeit und Musiktherapie für Studiengebühren von bis zu 500 Euro pro Monat!!

    obwohl diese Studiengänge keine hohen Gehälter einbringen, finden sich also welche, die es unbedingt studieren wollen. Das kann man für leichtfertig halten.

    DE hätte die ganze Zeit eben schon neue Studiengänge schaffen müssen, v.a. an den Fachhochschulen, die Nachfrage ist größer als das Angebot.

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