Sind moderne Filme Schrott? Der YouTube-Kritiker „The Critial Drinker“ erzielt Hunderttausende von Klicks mit Videos wie „Why Modern Movies Suck“. Aber sind sie wirklich so schlecht?
Über Geschmack lässt sich nicht streiten
Nun muss man zunächst sagen, dass die Qualität eines Films sich nicht objektiv beantworten lässt, auch wenn Filmkritiker genau das immer wieder versuchen und behaupten. Im Mittelalter war man da schlauer, die Scholastiker postulierten De gustibus et coloribus non est disputandum, über Geschmack und Farbe kann man nicht diskutieren. Heute wird das Zitat meist verkürzt zu De gustibus non est disputandum, über Geschmack lässt sich nicht streiten. Und im Deutschen wird es häufig falsch zitiert als Über Geschmack lässt sich streiten.
Dass es im Original heißt, über Geschmack lasse sich nicht streiten, soll nicht behaupten, dass es ein klares Ergebnis gäbe, sondern ganz im Gegenteil. Weil Geschmack so subjektiv ist, ergibt eine Diskussion keinen Sinn. Um etwas zu debattieren, muss es ein objektives Ergebnis geben, das nur noch nicht feststeht.
Was dann?
Nun können wir das Problem demokratisch angehen und die Menschen entscheiden lassen, wie gut ein Film ist, beispielsweise anhand der Zuschauerzahlen. Und tatsächlich, es gibt unter den Top50-Filmen nur einen einzigen aus den aktuellen 20er Jahren. Gut, die sind auch erst zur Hälfte rum. So gesehen schneiden die 80er-Jahre auch nicht besser ab. Hier gab es zwei Filme, also auch einen pro Jahrfünft. Hier fehlt allerdings noch der Osten, den der geht nicht in die Zahlen ein und hatte ohnehin andere Filme. Dafür liegen die beiden nur auf den Plätzen 47 (Dirty Dancing) und 48 (Otto – Der Film) – der einzige Film aus dem aktuellen Jahrzehnt, Avatar, liegt immerhin auf Platz 30.

Auch abgesehen vom fehlenden Osten bis 1990 und der Tatsache, dass Zuschauerzahlen von 1985 nur geschätzt sind, gibt es aber ein anderes Problem. Die Zahl der Kinobesuche hat sich viel drastischer verändert, als es den meisten bewusst ist.
Das Kino stirbt (mal wieder)
Ich habe vor mehr als zehn Jahren schon mal über die Entwicklung der Zahl der Kinobesuche geschrieben. Tatsächlich ist die Zahl der Kinobesuche in den vergangenen 70 Jahren geradezu eingebrochen. Wer durch die Städte geht entdeckt Häuser, die klar nach Kino aussehen und längst anderen Zwecken dienen, beispielsweise als Supermarkt, als Büro oder sogar als Kirche, obwohl letztere selbst massiv Mitglieder verliert (jedenfalls sieht das Gebäude des Jesus College in der Siebenkeesstraße 18 in Nürnberg sehr nach ehemaligem Kino aus). Teilweise bezogen auch Videotheken ehemalige Kinos, aber die sind mittlerweile alle pleite, das Kino hat die Videothek überlebt.

Nun kann der Einbruch der Kinobesuche natürlich eine Folge schlechter Filme sein, aber wir alle wissen, dass natürlich der Siegeszug des Fernsehens den dramatischen Rückgang seit 1956 zur Folge hatte. Alleine von 1960 auf 1961 sank die Zahl der Kinobesuche um 88 Millionen, das sind fast so viele Besuche wie 2024 insgesamt gezählt wurden. Von 1959 bis 1968 sank die Zahl der Kinobesuche fast jedes Jahr um mehr als 10,0 Prozent, nur 1965 waren es „lediglich“ 8,0 Prozent.
Erst 1977 stieg die Zahl wieder an, ein paar Jahre ging es wieder nach oben, von den 115 Millionen Besuchen 1976 erholte sich die Zahl bis 1980 wieder auf 144 Millionen, ehe es noch weiter runter ging. 1991 kam der Osten in der Statistik dazu, weshalb das Plus in diesem Jahr nicht besonders aussagekräftig ist.
Nur in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gab es eine leichte Erholung. Neue Kinos und ein verbessertes Kinoerlebnis liesen die Zuschauerzahlen steigen, von 125 Millionen 1995 bis auf 178 Millionen im Jahr 2001. Seitdem ging es zunächst etwas bergab, stabilisierte sich dann aber, bevor es ab 2016 wieder nach unten ging. Zunächst langsam, dann durch Corona radikal. Es folgte eine Erholung, aber dennoch lag die Zahl der Kinobesuche 2014 so niedrig wie noch nie seit Beginn der Erhebung 1946, sieht man von den beiden Corona-Jahren 2020 bis 2022 ab.

Vom aktuellen Einbruch lässt sich nicht alleine auf die Qualität der Filme schließen. Das Streaming wurde populär, Kinos gingen während der Pandemie pleite und die Menschen gewöhnten sich in den Corona-Jahren daran, die Wohnung nicht mehr zu verlassen.
Ein anderer Ansatz muss her
Die Zahl der Kinobesuche oder der erfolgreichsten Filme ist also kein Indiz für die These, dass moderne Filme schlecxht sind (eine bessere Übersetzung für „modern movies suck“ fällt mir nicht ein, „moderne Filme lutschen“ ist eher nicht gemeint).
Deshalb werde ich im nächsten Beitrag mal die IMDB durchforsten und sehen, aus welchen Jahrzehnten die dort am besten bewerteten Filme stammen.
