Verdrängte Probleme

In den jüngsten Beiträgen ging es um Kriminalität und nicht zuletzt darum, dass gefühlte und tatsächliche Entwicklung weit auseinander klaffen. Heute geht es um ein etwas ernsteres Thema und eher um eine Problematik, die oft unterschätzt wird, nämlich die Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Es ist vielerorts gar nicht mehr im Bewusstsein, wie hoch sie in einigen Staaten liegt und dass sie längst nicht nur die ganz Jungen betrifft, sondern Menschen bis ins vierte Lebensjahrzehnt betroffen sind.

Wovon wir reden

Ein paar Dinge muss man zu dem Thema vorweg sagen. Anders als auch in seriösen Blogs und Zeitungen teilweise behauptet, werden natürlich nicht die jeweiligen nationalen Arbeitslosenquoten miteinander verglichen. Vielmehr verwendet Eurostat die Kriterien der ILO. Danach ist verkürzt gesagt jeder erwerbslos, der weniger als eine Stunde pro Woche arbeitet, Arbeit von mindestens einer Woche sucht und diese auch kurzfristig antreten könnte (genauere Infos dazu gibt es hier).

Jugendarbeitslosigkeit in Europa
Seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich vor allem die Arbeitslosigkeit der Jungen erhöht. Sie liegt teilweise bei über 50 Prozent. Hier die Entwicklung für die bevölkerungsreichsten EU-Staaten Spanien (rot), Italien (orange), Frankreich (grün), Vereinigtes Königreich (grau, ohne 2013) und Deutschland (blau). Quelle: Eurostat

In Deutschland liegt die Quote nach dieser Definition etwa gleich hoch wie die nach den Kriterien des SGB III berechnete, in den meisten anderen Ländern etwas höher. Dort wird also offenbar noch stärker politischer Einfluss auf die Berechnung genommen. Allerdings liegt die Jugendarbeitslosigkeit nach ILO-Kriterien auch in Deutschland höher als nach nationaler Definition. Das liegt zum einen daran, dass sie durch eine Umfrage erhoben wird und auch Menschen erfasst, die sich nicht bei der Agentur für Arbeit oder beim Jobcenter melden. Das sind bei den jungen Arbeitslosen besonders viele, weil die oft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II haben. Außerdem können auch Jugendliche arbeitslos sein, die nur einen Nebenjob neben dem Studium von wenigen Stunden suchen.

Deutlicher Anstieg

Die Grafik zeigt das ganz Ausmaß des Problems. In Spanien sind über 50 Prozent der unter 25-Jährigen arbeitslos, in Italien immerhin rund 40 Prozent. Nun ist die Erwerbslosenquote der Jüngeren etwas überzeichnet, denn zwischen 15 und 25 sind vor allem Menschen ohne Abschluss auf dem Arbeitsmarkt, die übrigen befinden sich noch an Schulen und Hochschulen. Das gilt vor allem im Ausland, wo es keine duale Ausbildung gibt. Deswegen ist die günstige Situation in Deutschland vermutlich auch etwas überzeichnet, zumal junge Menschen in Ausbildung als Erwerbstätige zählen und somit den Nenner vergrößern, anders als Schüler. Ein reiner statistischer Effekt ist sie aber auch nicht, dafür ist der Unterschied zu groß.

Die andere Seite

Das ganze Problem der Jugendarbeitslosigkeit zeigt sich noch deutlicher bei einem Blick auf die Erwerbstätigkeit. Ich habe hier mal als Beispiel Spanien herausgesucht. 2008 lag die Erwerbstätigkeit in Prozent aller Einwohner der jeweiligen Altersgruppe bei den 15 bis unter 25-Jährigen deutlich niedriger als bei den übrigen Altersgruppen. Die Ursache dafür war vor allem der hohe Anteil von Menschen dieses Alters, die noch die Schule oder Hochschule besuchen.

Erwerbsquoten nach Alter Spanien
Erwerbsquoten nach Alter. Altersgruppen umfassen jeweils zehn Jahre, jüngere Generationen blau, ältere grau, dunklere Farbe steht für ältere Jahrgänge. Quelle: Eurostat

Ebenfalls etwas niedriger lag die Erwerbsquote der 55 bis unter 65-Jährigen, nicht zuletzt da hier viele schon in Rente sind (in Deutschland beispielsweise liegt das durchschnittliche tatsächliche Renteneintrittsalter für Frauen aktuell bei 60,5 Jahren, einschließlich vorruhestandsähnlichen Regelungen wie Altersteilzeit dürfte es sogar unter 50 liegen). Die übrigen Altersgruppen, die jeweils zehn Jahre umfassen, hatten 2008 jeweils eine ähnliche hohe Erwerbsquote.

Die Grafik zeigt, dass auch die 25 bis unter 35-Jährigen (dunkelblau) von der Krise besonders stark betroffen sind und zusammen mit den Jüngeren die Last zum größten Teil schultern. Sie hatten 2008 noch die höchste Erwerbsquote, mittlerweile liegen sie in der Mitte der fünf Altersgruppen.

Woran liegt’s?

Nicht berücksichtigt ist dabei die starke Zunahme unsicherer Jobs. Denn auch die Erwerbstätigen unter 35-Jährigen haben oft nur Zeitverträge. Selbst in Deutschland hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jüngst festgestellt, dass trotz insgesamt stabiler Dauer von Beschäftigungsverhältnissen die Jüngeren immer häufiger ihren Arbeitsplatz wechseln müssen.

Ein wesentlicher Grund dafür dürften Gesetze sein, die vor allem die Interessen der bereits beschäftigten Arbeitnehmer verstärken. Wie man die Situation ändern könnte ist aber eine zutiefst politische Frage und deshalb nicht Thema dieses Beitrags.

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