Sexismus im Jobcenter?

Männer haben’s schwer – so viel ist schon mal klar. Über die geringere Lebenserwartung und die dadurch im Rentensystem entstehenden Nachteile haben wir schon geschrieben. Aber nun hat die Bundesagentur für Arbeit höchstselbst festgestellt, dass in den von ihr zusammen mit den Kommunen betriebenen Jobcentern Männer mehr als doppelt so oft sanktioniert werden wie Frauen. Diskriminierung?

Ausgewertet wurden vom Institut für Arbeitmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Nürnberger Behörde die Daten der deutschen Jobcenter sowie jener Agenturen für Arbeit, in deren Bezirk Kommunen und Arbeitsämter ihre Aufgaben getrennt wahrnehmen (ein eher seltenes Modell, v.a. in Baden-Württemberg praktiziert). Für die Kommunen, die die Grundsicherung alleine übernehmen (sog. Optionskommunen), liegen keine Daten vor.

Sanktionen aufgrund schwerwiegender Verstöße je 100 Grundsicherungsempfänger nach ausgewählten Personengruppen. Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Demnach werden Männer fast dreimal so oft aufgrund schwerwiegtender Pflichtverstöße sanktioniert wie Frauen. Die Sanktionsquote liegt bei ihnen bei 8,3 Prozent, bei Frauen nur bei 3,2 Prozent. Auch werden Jüngere deutlich häufiger bestraft als Ältere, Niedrigqualifizierte öfter als Hochqualifzierte.

Bei den meisten Gruppen lässt sich der Unterschied einigermaßen gut erklären. Jüngere werden stärker aktiviert. Sie bekommen mehr Stellen angeboten und vermutlich sind die Vermittlerinnen bei Älteren eher bereit, einen Verstoß nicht zu sanktionieren als bei Jüngeren. Hochqualizierte bekommen besser bezahlte Jobs angeboten und lehnen diese daher auch seltener ab. Unklar ist vor allem, warum Männer so viel häufiger sanktioniert werden als Frauen.

Sind Frauen braver und angepasster? Oder diskriminieren die meist weiblichen Vermittlungskräfte die Männer?
Genau weiß das auch das IAB nicht. Es forderte weitere Untersuchungen, hat aber auch schon eine Vermutung.

Sanktionen aufgrund schwerwiegender Pflichtverstöße je 100 Alg2-Empfänger. Männer: Blau, Frauen: Grau. Helle Balken: Westdeutschland, Dunkle Balken: Ostdeutschland. Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Vermutlich sind die Frauen weder deutlich braver noch die Vermittlerinnen Männerhasser. Vielmehr scheinen hier alte Rollenbilder am Werk zu sein, denn besonders groß ist der Unterschied bei jungen Paaren mit Kindern unter drei Jahren. Männer werden hier in Westdeutschland so oft sanktioniert wie in keiner anderen Gruppe, von 1.000 nämlich 95.
Bei den Frauen ist es dagegen umgekehrt, von 1.000 Leistungsbezieherinnen erhalten nur 6 eine Sanktion, weniger als in allen anderen Gruppen. Offenbar gilt im Westen noch immer, dass der Mann das Geld verdienen und die Frau die Kinder hüten soll. Im Osten gibt es zwar auch deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern (45 Sanktionen gegenüber 4), die sind aber längst nicht so stark.

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