Kommentar zu religiöser Toleranz

Das Thema Islamismus ist hochemotional und manchmal ist die Diskussion etwas verrückt. In meiner Jugend wurde das Thema Nationalsozialismus stark diskutiert. Es ging vereinfacht auch um die Frage, ob die Deutschen Täter oder Opfer waren. Waren es Untertanengeist, Größenwahn und germanische Kriegslust, die Hitler an die Macht brachten? Oder war am Ende „der Westen“ schuld, in diesem Fall vor allem Frankreich, Großbritannien und die USA, die den deutschen Nationalismus und später Hitler erst durch die Napoleonischen Kriege und später die Seeblockade 1917, den Versailler Vertrag und die Weltwirtschaftskrise ab 1929 hervorbrachten?

Heute gibt es eine ähnliche Diskussion über den Islamismus – und absurderweise haben sich die Positionen umgekehrt. Wer damals die Schuld in der deutschen Kultur suchte, findet das heute kulturellen Rassismus. Und wer seinerzeit solche Positionen als „Vaterlandsverrat“ ablehnte, findet sie heute plausibel.

Das wirft die Frage auf, wie viel unsere Meinungen und Positionen wirklich mit Vernunft zu tun haben. Deshalb schätze ich die Empirie. Die ist auch nicht sicher vor subjektiven Interpretationen, das zeigt der vorgestellte Index zur religiösen Toleranz. Aber sie ist das beste was wir haben.

Nun habe ich diesen Beitrag als Kommentar überschrieben. Was also ist meine Meinung? Zunächst einmal sollte man sich davon verabschieden, dass es die eine Erklärung gibt. Das hört sich wie eine Phrase an, doch in den Diskussionen wird trotzdem oft so getan, als sei genau das der Fall. Ein Leserbrief in der Würzburg Main Post wirft der Redaktion der Tageszeitung vorwirft, sie haben aus dem Amoklauf ein islamistisches Attentat gemacht, wenn doch dahinter ein traumatisierter Jugendlicher stand.

Doch beides schließt sich nicht aus. Erst Trauma, eine labile Persönlichkeit und eine Rechtfertigung führten zu der Tat. Das erklärt auch, warum sich viele der Täter so schnell radikalisiert haben. Sie werden nicht zu Mördern, weil sie gläubig wurden, sie werden gläubig um morden zu können. Tatsächlich waren viele Täter vorher als Kleinkriminelle aufgefallen. Und viele konvertieren zunächst zum Islam, um dann morden zu können.

Der britische Geheimdienst MI5 hat außerdem eine zweite Gruppe entdeckt, nämlich gelangweilte Mittelschichtsjugendliche. Jene Gruppe also, die auch schon die RAF wesentlich getragen hatte.

Hat der Islamismus also nichts mit dem Islam zu tun? Das wäre zu einfach. Denn eine Ideologie macht das Morden leichter. Und zu guter Letzt gibt es ja auch wirklich Täter, die aus religiösen Motiven morden. Die in religiösen Familien aufgewachsenen Mörder sind nach Meinung der Geheimdienste eher die Minderheit, aber sie sind wichtig für die ideologische Basis.

Deshalb wäre es wichtig, dass der Islamismus in Deutschland als das erkannt wird, was er ist, nämlich eine rechtsextreme Bewegung, die dem Nationalsozialismus in Sachen Menschenverachtung in nichts nachsteht. Leider wird er bis heute oft verharmlost, als verirrter Auswuchs eines eigentlich berechtigten Zornes über den Irakkrieg, die Globalisierung oder den Kapitalismus.

Leider sind die Argumente schwach. Die These von der Unterdrückung der islamischen Welt durch Ungläubige (nicht nur den Westen, sondern auch Russland, Thailand, China oder Indien) ist schnell widerlegt. Natürlich kann man all diesen Staaten Fehler vorhalten, doch islamische Länder sind umgekehrt keineswegs besser. Auch der Kapitalismus als Erklärung ist schwach, denn Katar ist das reichste Land der Welt – und eines der intolerantesten. Und die Jahrzehnte der Globalisierung haben die Unterschiede zwischen den Staaten beim Wohlstand eher nivelliert. Sogar die Zahl der Hungernden ist zurückgegangen, trotz steigender Weltbevölkerung.

Und schließlich sei noch mal daran erinnert, dass diese Argumente sich genauso auch vorgebracht wurden, um den Nationalsozialismus zu rechtfertigen.

Überhaupt gibt es seltsame Allianzen. Da wäre beispielsweise die These vom „zornigen Muslim“, die von linken und rechten Extremisten gleichermaßen vertreten und deren Wahrheit erhofft wird. Die Rechte hofft auf ein Besinnen auf „alte Werte“ im Kampf gegen die Bedrohung. Was die Frage aufwirft was am Ende gewonnen wäre, wenn „alte Werte“ reaktiviert werden die oft denen entsprechen, für die auch die Islamisten (sind ja auch Rechtsextreme) kämpfen. Die Linke darauf, dass endlich alle einsehen, dass sie schon immer recht gehabt haben und nach vielen Toten angekrochen kommen um zu sagen: „Liebe Linke, ihr hattet Recht mit eurer Kapitalismuskritik, lasst uns euren Weg gehen“. Worauf hin die zornigen Muslime dann erkennen sollen, dass sie ja nur durch den Kapitalismus zu Rechtsextremisten geworden sind und plötzlich Schwule, Frauenrechte, Rockmusik und religiöse Freiheit gut finden.

Leider lässt sich die These vom zornigen Muslim nicht bestätigten, zumindest nicht für die europäischen Muslime. In arabischen und nordafrikanischen Ländern gibt es tatsächlich ein geringes Vertrauen der Bevölkerung in internationale Organisationen wie die UN. Allerdings ist das Vertrauen dort generell niedrig ausgeprägt, die Menschen dort vertrauen auch ihren Regierungen nicht.

Was also ist wichtig? Sich nicht verrückt machen lassen, auch wenn es schwer fällt. Aber deutlich machen, dass man den Terror in keinster Weise duldet. Hier sind vor allem die Muslime selbst gefragt, Proteste der „Ungläubigen“ machen auf die Täter wenig Eindruck.

Statt in getrennten Gruppen gegen Neonazis und Islamisten vorzugehen sollte es deshalb Initiativen gegen Rechts geben, die Islamisten und Neonazis gleichermaßen verurteilen. Das würde auch den Zusammenhalt stärken, denn kaum etwas hilft so sehr beim Überwinden von Grenzen wie ein gemeinsames Ziel. Das wird natürlich weder Neonazis noch Islamisten sofort verschwinden lassen, aber ihre Anziehungskraft verringern. Denn die meisten Terroristen wollen zwar provozieren und gegen das Establishment kämpfen, aber leben auch von der Anerkennung ihrer Referenzgruppe. Ohne die ist der halbe Spaß weg.

Also, liebe „Initiativen gegen Rechts“, gebt auch einen Ruck und stellt euch gegen alle Formen von Rechtsextremismus. Und wen der Islamismus beunruhigt, der sollte auch nein zu Neonazis sagen.

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