Ostdeutschland spitze bei Beschäftigung

Weil gerade überall Ferien sind, gönne ich mir auch mal zwei Wochen Urlaub. Damit es in dieser Zeit nicht langweilig wird, wiederhole ich noch mal vier alte Beiträge. Beispielsweise diesen vom 22. August 2010

Die neuen Länder sind Krisenland. Ist doch klar. Niedrige Löhne, viele Arbeitslose und kaum jemand hat Arbeit, oder?

Tatsächlich sind die Löhne in Ostdeutschland niedriger als im Westen und Armut und die Arbeitslosigkeit höher. Nur eins stimmt nicht. Entgegen der landläufigen Annahme arbeitet in den neuen Ländern ein höherer Prozentsatz an Menschen in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.

Sozialversicherungspflichtig beschäftigt bedeutet verkürzt gesagt, dass man als Angestellter Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlt, also Angestellter (nicht aber Beamter oder Selbständiger) ist und mehr als 400,- Euro im Monat verdient. Mini-Jobber (geringfügig Beschäftigte) und Ein-Euro-Jobber (offiziell: Arbeitsgelegenheit in der Mehraufwandsvariante) fallen also nicht in diese Kategorie.

Im Osten ist nicht alles schlecht. Burg Kriebenstein ist beispielsweise sehr hübsch. Foto: Maja Dumat (cc)

Auf 1000 Einwohner im Alter von 15 bis 64 Jahren kommen in „Neufünfland“ 523 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Oder anders ausgedrückt: Die Beschäftigtenquote beträgt hier 52,3 Prozent. In den alten Ländern sind es 50,7 Prozent, in Berlin sogar nur 42,6 Prozent. Unter den fünf Bundesländern mit dem höchsten Anteil an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegen drei ostdeutsche Länder. Nur die „Musterstaaten“ Bayern (Rang 1 mit 53,4 Prozent) und Baden-Württemberg (Rang 5 mit 52,4 Prozent) können da mithalten. Brandenburg folgt auf Rang 6 (52,1 Prozent), nur Mecklenburg-Vorpommern liegt mit 50,2 Prozent auf Platz neun, hinter Hessen (51,1 Prozent) und Rheinland-Pfalz (50,7 Prozent).

Die rote Laterne hat Berlin. Hier beträgt die Beschäftigtenquote gerade mal 42,6 Prozent. Das kann viele Gründe haben. Süddeutsche Politiker würden es auf die mangelnde Arbeitsmoral der Hauptstädter schieben, Berliner auf die schlechte Arbeitsmarktlage. Der Statistiker-Blog erinnert noch an zwei andere Faktoren. Einerseits die hohe Zahl von Studenten. Das erklärt auch, warum ausgerechnet Städte wie Heidelberg, Würzburg und Freiburg beim Regional-Ranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) unter den zehn Land- und Stadtkreisen mit dem niedrigsten Beschäftigtenanteil landen. Das hinderte die Wirtschaftslobbyisten allerdings nicht daran, den Städten ihre niedrige Beschäftigtenquote als Schwäche anzukreiden. Auch ein hoher Anteil an Selbständigen (freie Journalisten, Künstler, Anwälte, etc.) und Beamten (Ministerien) könnte die schlecht Quote der Berliner zumindest teilweise erklären.

Gibt es also in Westdeutschland so viel mehr Beamte und Freiberufler? Mitnichten. Eine mögliche Erklärung finden wir, wenn wir die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Geschlecht ansehen. Betrachtet man nur die Beschäftigtenquote der Frauen, tauschen Bayern und Brandenburg den Platz. Bayern stürzt auf Rang sechs ab (49,7 Prozent), Brandenburg landet mit 53,4 Prozent auf Rang eins. Bei den Männern beträgt die Beschäftigtenquote nur 50,9 Prozent. Auch in Berlin, in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen ist ein höherer Anteil von Frauen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die geringfügig Beschäftigten mit dazu nimmt. Dann liegt die Beschäftigtenquote in Westdeutschland mit 60,5 Prozent deutlich über der Ostdeutschen (58,6 Prozent). Unter den fünf Ländern mit der höchsten Quote finden sich nur noch westdeutsche Länder. Ganz vorne bleibt Bayern mit 62,7 Prozent, das jetzt auch bei den Frauen ganz vorne liegt (62,8 Prozent). Schlusslichter sind die Stadtstaaten mit hoher Arbeitslosigkeit, vielen Selbständigen und vielen Studenten. Davor: Mecklenburg-Vorpommern.

Haben also Arbeitslosen- und Beschäftigtenquote nichts miteinander zu tun? Doch. Betrachtet man Ost und West getrennt, ergibt sich das erwartete Bild: Wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, ist die Beschäftigtenquote niedrig.

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